So eignen sich besonders Unterwäsche und Strümpfe, Schlafanzüge, Bettwäsche, Handschuhe und Mützen, um Wirkstoffe gegen Neurodermitis oder Schuppenflechte, Fußpilz oder Kopfläuse zu speichern. Die Substanzen müssen nicht mehr geschluckt, injiziert oder aufgetragen werden, sie gelangen über die Kleidung in die Haut - Medizin zum Anziehen. So soll mit Aloe Vera ausgerüstete Bettwäsche für den Feuchtigkeitsnachschub in der Haut sorgen. Ginkgo wird wegen seiner durchblutungsfördernden Wirkung bevorzugt im Strumpfbereich eingesetzt. Eine durchdringende Wirkung haben auch T-Shirts mit Vitamin C und E.
Weil jedes Textilmaterial von Leinen bis Wolle mit Cyclodextrinen beschichtet werden kann, scheinen therapeutische Handschuhe für allergiekranke Friseure ebenso machbar wie Spezialsocken für Pilzgeplagte. Und die Möglichkeiten der Biofunktionstextilien beschränken sich nicht auf Hauterkrankungen, lassen sich doch die Polymere mit den unterschiedlichsten Arzneistoffen beladen. Es ist denkbar, den Weg über die Haut zu nutzen, um im Organismus einen bestimmten Medikamentenspiegel zu erreichen.
Schmerzmittel für chronische Rheumapatienten, Hormonpräparate nach den Wechseljahren - eines Tages, so die Hoffnung der Forscher, können die Substanzen gezielt von der Kleidung auf den Körper übertragen werden. Wirklichkeit geworden ist bereits das vitaminbeladene T-Shirt. Die japanische Firma Fuji Spinning hat eine Faser entwickelt, die bei Hautkontakt Vitamin C freisetzt. Das T-Shirt (Markenname: "V-up") enthält soviel Vitamin C wie zwei Zitronen und soll auch nach 30 Maschinenwäschen noch als Vitaminquelle dienen. Der wirksame Stoff ist in der Faser als Provitamin, als Vorläufersubstanz, gebunden. Erst bei Berührung mit der Haut entsteht daraus tatsächlich Vitamin C. "Das Shirt ist jedoch nicht mehr als ein netter Gag und nur im asiatischen Raum zu haben", schränkt ein Textilforscher ein. "Wer regelmäßig Obst isst, nimmt die Vitamine schneller zu sich."
Bei Hautpflegemitteln komme es nicht so genau auf die Dosierung an, sagt Buschmann. Bei Medikamenten gegen viele Krankheiten ist dies aber anders. Die Cyclodextrine müssten solche Wirkstoffe also in genau festgelegter Menge freisetzen. Bisher ist es Wissenschaftlern noch nicht gelungen, dieses Dosierungsproblem zu lösen. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass es in Kürze die "Therapie zum Anziehen" gegen solche Krankheiten geben wird. Aber noch aus einem weiteren Grund, ist die Chance, dass solche heilenden Textilien bald in unseren Kleiderschränken hängen werden, gering: Jedes dieser Kleidungsstücke müsste erst arzneimittelrechtlich zugelassen werden. Das ist eine teure und aufwändige Prozedur.
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