TEXBAC-Index

© und Screen-Design
  Baumann

Intelligente  Wundheilung

Intelligente Wundheilung

Allein in Deutschland gibt es jährlich schätzungsweise zwei Millionen Wundpatienten zu versorgen. Das Problem wird durch die zunehmende Antibiotikaresistenz von Wundkeimen dramatisch verschärft. Neben chronischen Wunden nimmt auch die Zahl der Hautkrankheiten weiter zu. Sie führen mit Abstand die Liste der häufigsten Berufskrankheiten an.

Eine zentrale Rolle in der zukünftigen Behandlungstechnik bei der Wund- und Hautbehandlung werden sicherlich innovative Medizintextilien spielen, z. B. um durch Abgabe von Wirkstoffen Wunden und Hautinfektionen zum Heilen anzuregen. Neue Wege in der Therapie chronischer Wunden und Hautkrankheiten geht auch die Biotherapie. Bei diesem traditionsreichen und bewährten Teilgebiet der Medizin und der wissenschaftlichen Forschung erfolgt die Behandlung mit lebenden Organismen. Die molekularen Grundlagen der Biotherapie werden derzeit durch neue Erkenntnisse der Biotechnologie und Gentherapie erforscht.

textileWundheilung

Intelligente Wundverbände. Mit medikamentöser Unterstützung gibt das textile Gewebe die Wirkstoffe dann frei, wenn sie benötigt werden.

Made

Made der Goldfliege

Maden in Textilsöckchen zur Wundheilung

Teebeutel-ähnlich: Ein Patient in einem Krankenhaus in Bangkok (Thailand) wurde mit einem Textilsöckchen voller Fliegenmaden behandelt, ...
Bild: www.spiegel-online.de (19.07.2007)

Krill

Krill (Anklicken bringt großes Bild)
Bild: www.spiegel-online.de (19.07.2007)

Goldfliege

Goldfliege

Blutegel

Blutegel

Kangalfische

Kangalfische gegen Schuppenflechte

Maden in Wunde

... die Tiere fressen totes Gewebes, schonen aber das gesunde. Durch Sekrete in ihren Verdauungssäften sollen sie außerdem antimikrobiell wirken und den Heilungsvorgang fördern (Foto aus dem Robert-Koch-Krankenhaus in Apolda, Thüringen)
Anklicken bringt großes Bild)
Bild: www.spiegel-online.de (19.07.2007)

Blutegel Schmerzlinderung

Den Tieren wird nachgesagt, dass sie bei Arthroseschmerzen in Knie und Handgelenk für deutlich Linderung sorgen können. Erwiesen im Sinne evidenzbasierter Medizin ist dies allerdings noch nicht - auch der Wirkmechanismus ist noch ungewiss
Anklicken bringt großes Bild)
Bild: www.spiegel-online.de (19.07.2007)

Kangalfische am Fuss

Ein Schwarm Roter Saugbarben “behandelt” einen Fuß
(Anklicken bringt großes Bild)
Bild: www.spiegel-online.de (19.07.2007)

Quelle: http://www.innovations-report.de/html/berichte/biowissenschaften_chemie/bericht-51850.html (29.8.2006)
und: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,495446,00.html (19.07.2007)

 

Hier zeigt sich, dass “großmütterliche Tradition” und modernste High-Tech Textilien nahe beieinander liegen!

Madentherapie

Zur Therapie chronischer Wunden wurden Maden der Goldfliege, Lucilia sericata, bereits seit den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts eingesetzt. In Wunden eingebrachte Maden lösen Gewebstrümmer Nekrosen auf (Mikro-Debridement), kontrollieren die Infektion der Wunde und sorgen für eine Gewebeneubildung, welche die Wunde verschließt. Doch die Entwicklung der Antibiotikatherapie drängte diese Methode für lange Zeit in den Hintergrund. Während die Maden früher direkt auf die Wunde gesetzt wurden, verwendet man heute spezielle Textilien zur Madenbehandlung. Die sterilen Maden werden in einem speziellen Textilbeutel (Vitapad) versendet, der aus einer feinporigen PVA-Außenschicht und einem inneren abgeschlossenen Nylonnetz mit Abstandshaltern besteht. In modernen Wundauflagen soll es zukünftig möglich sein, die heilbringenden Eigenschaften der Maden zu nutzen, ohne sich ihrem Anblick aussetzen zu müssen. Derzeit arbeitet man daran, die chemischen Stoffe der Maden zu isolieren, die für die wundheilungsfördernden Eigenschaften wie Infektionskontrolle, Gewebeproliferation sowie Mikro-Debridement verantwortlich sind. Wer also bislang von der Madenbehandlung chronischer Wunden zurückgeschreckt ist, weil er sich vor den Tieren ekelte, braucht in Zukunft keine Bedenken mehr gegen diese Therapieform zu haben. Gleichzeitig versucht man, die wundheilenden Eigenschaften des Madensekretes an einen textilen Träger zu koppeln, der sich zeitlich gestaffelt in der Wunde auflöst und dabei die Maden-Inhaltsstoffe kontrolliert freisetzt.

Krill-Therapie

Von norwegischen Fischern werden zur Schürfwundentherapie traditionell frische Fänge von Meeres-Krill, Euphausia superba, eingesetzt. Der Verdauungstrakt dieser Lebewesen enthält hochpotente Enzyme (so genannte Endo- und Ektopeptidasen) mit wenig selektiver enzymatischer Spezifität, die erstaunliche Erfolge im Bereich der Wundheilungen erbringen. Zur Liste der Behandlungserfolge dieser Biotherapie zählen zahlreiche Brandwunden sowie Geschwüre Ulcera und Mykosen. Da sich die Endo- und Ektopeptidasen des Krills leicht gefriertrocknen lassen, eignen sie sich hervorragend für die Anwendung als textile, feuchte Kompresse. Shrimps- oder Krillschalen haben antimikrobielle Eigenschaften, weshalb man ihre Wirkung bei wirkstoffumhüllten Fasern zu nutzen versucht. Ganz neu ist eine Entwicklung aus den USA, in der - natürlich mal wieder verursacht durch die militärischen Aktionen im nahen Osten - aus den Schalentieren ein pulver gewonnen wird, das auf stark blutende Wunden gestreut wird und das die Blutung stillen soll.

CELOXbandage  CELOXbandage_1  CELOXbandage_4

CELOXbandage_cells  Die Pulverpartikel sind geladen und binden so die roten Blutkörperchen. Die Blutkörperchen werden beim Bindungsprozess entwässert, der Gerinnungsfaktor steigt und die Wunde wird geschlossen.
Quelle: Popular Science, July 2006 “The Seafood Bandage”
http://www.popsci.com/popsci/medicine/279c849101acb010vgnvcm1000004eecbccdrcrd.html

 

 

Phagen-Therapie

Angesichts der sich weltweit verschärfenden Antibiotika-Problematik feiert die sogenannte Phagen-Therapie derzeit eine Aufsehen erregende Renaissance. Bakteriophagen sind Viren, die selektiv Bakterien angreifen und daher eine sinnvolle Therapie gegen Bakterienstämme, die eine Resistenz gegen Antibiotika entwickelt haben, bieten können. Im Gegensatz zu Antibiotika sind Phagen ein natürlich vorkommender antimikrobieller Organismus, der nahezu ubiquitär auf der Erde vorkommt und sich in seinem Bakterienangriff selbst reguliert: Nach Befall eines Bakteriums durch Phagen werden innerhalb von 30 Minuten durch Umprogrammieren des Bakterienstoffwechsels Tausende von neuen Phagen gebildet, die das Bakterium füllen und letztlich zum Platzen bringen. Danach gehen auch die Phagen zu Grunde. Angedacht ist es, mit Phagen ausgerüstete antibakterielle innovative Medizintextilien herzustellen. Möglich wäre dies als infektionsbekämpfende oder prophylaktische Wundauflage, als Patienten und Chirurgen schützende OP-Textilie oder als therapeutisches Textil, um bakterielle Hautinfektionen zu bekämpfen. Auch zur Behandlung der Neurodermitis wurden diese Bakterienviren bereits erfolgreich eingesetzt, um die Staphylococcen-Besiedelung der Neurodermitikerhaut zu reduzieren, wodurch sich dass das Krankheitsbild der Betroffenen verbesserte.

Blutegel-Therapie

Auch Blutegel sind in den letzten Jahren wieder zunehmend Bestandteil der medizinischen Versorgung geworden. Der Blutegel entlässt in die durch Saugen gesetzte Wunde mit seinem Speichel ca. 15 Inhaltsstoffe. Am bekanntesten ist dabei das gerinnungshemmende Hirudin. Daneben enthält es weitere entzündungs- und gerinnungshemmende Stoffe wie Hyaluronidase, Calin, Apyrase, oder Collagenase. Dieser pharmazeutische Cocktail ist, neben sanfter Blutentziehung, ein hochwirksames Agens bei vielen Erkrankungen. Therapeutisch wird der Egel heute bei Thrombosen, Gewebsverpflanzungen, Furunkeln, Karbunkeln, Entzündungen und Abszessen eingesetzt. Mit jeder weiteren Charakterisierung neuer biotherapeutischer Wirkstoffe wächst die Chance auf eine Entkopplung der Wirkstoffe vom Lebewesen mit einer Einbindung in innovative therapeutische Medizintextilien, die nun - unabhängig vom Organismus - die gleiche therapeutische Wirkung erzielen könnten.

Psoriasis-Therapie

In den warmen Quellen des 1600 m hoch gelegenen anatolischen Ortes Kangal leben spezielle biotherapeutische Fische. Der karpfenartige Kangalfisch, Garra rufa, wird seit langem erfolgreich zur Therapie der Schuppenflechte Psoriasis eingesetzt. Der Kangalfisch knabbert die im Übermaß produzierten Hautschuppen der Patienten vorsichtig ab, so dass Psoriatiker nach mehrtägigen therapeutischen Bädern eine langfristige Besserung ihres Hautzustandes erfahren. Die entzündungshemmenden Wirkstoffe, die der Kangalfisch während seiner Arbeit an die entzündete Haut abgibt, sind derzeit noch nicht bekannt. Aber auch hier werden hauttherapeutische Moleküle erwartet, die an Medizintextilien

gebracht, Psoriasis-Kranken weltweit Linderung verschaffen könnten.